Aktuell

Treffen in Bamberg mit dem Leiter eines bayerisch-französischen Erinnerungskulturellen Schulprojekts

19/12/2022

Der stellvertretende Generaldelegierte des Souvenir Français Deutschland für Bayern, Pierre M. Wolff, besuchte am 15. November 2022 Bamberg, um den vor zehn Jahren dort verlegten "Stolperstein" zur Erinnerung an einen Franzosen, der Opfer des nationalsozialistischen Regimes wurde - eine Premiere in Deutschland - zu besichtigen, sowie um den pädagogischen Leiter eines Erinnerungskulturellen Schulprojekts zu treffen, bei dem die Gymnasiasten sich vorgenommen haben, eine Ausstellung über die Geschichte dieses in einer Bamberger Straße ermordeten Franzosen zu gestalten, sowie über die Geschichte eines anderen französischen Opfers, das in derselben Stadt ermordet wurde und in dessen Erinnerung ein "Stolperstein" zwei Jahre später verlegt wurde.



Der stellvertretende Generaldelegierte des Souvenir Français Deutschland für Bayern, Pierre M. Wolff, besuchte am 15. November 2022 Bamberg, um den vor zehn Jahren zum ersten Mal in Deutschland verlegten "Stolperstein" zum Gedenken an das französische NS-Opfer Bernard Delachaux zu besichtigen. Herr Wolff traf dort auch Studienrat Michael Schmidt (siehe Foto oben), Geschichts- und Französischlehrer am Städtischen Dietzenhofer-Gymnasium (mit Abibac-Zweig - www.dg-info.de/franzoesisch/), der für ein von seinen Schülern betreutes, Erinnerungskulturelles Schulprojekt verantwortlich ist, in dessen Rahmen eine Ausstellung in französischer Sprache über die Geschichte dieses französischen Kriegsgefangenen gestaltet werden soll, der am 23. März 1942 auf offener Straße in der Roppeltsgasse, nur wenige Schritte von der Neuen Residenz entfernt, ermordet wurde (https://www.dg-info.de/bernard-delachaux-erschossen-in-bamberg-23-03-1942).



Dieses Erinnerungskulturelle pädagogische Projekt befaßt sich auch mit der Biografie und den Todesumständen eines weiteren französischen Kriegsgefangenen, Ferdinand Rapiteau, der am 19. Juli 1941 ebenfalls auf offener Straße in der Nähe des Bamberger Bahnhofs ermordet wurde und für welchen im Dezember 2014 ein "Stolperstein" verlegt wurde (siehe Foto unten).



Im Rahmen dieses Projekts legten die Schülerinnen und Schüler anlässlich des 80. Todestages von Monsieur Delachaux weiße Rosen am "Stolperstein" zu dessen Gedenken nieder (siehe Foto unten - ©DG Bamberg; 2022).



Um ihre Aufgabe zu erfüllen, konsultierten die Gymnasiasten nicht nur Archive, sondern wandten sich auch an Christophe Woehrle, einen aus dem Elsaß stammenden, ausgebildeten Paläographen, der im Juli 2012 den ersten "Stolperstein" in Deutschland für ein französisches Opfer hatte verlegen lassen. Es war auch der erste Stein, der in Deutschland zum Gedenken an ein nicht-jüdisches Opfer bzw. an Sinti und Roma-Opfer verlegt wurde.

Woehrle, der zu dieser Zeit mit finanzieller Unterstützung der Willy-Aron-Gesellschaft an der Universität Bamberg eine Doktorarbeit über französische Gefangene und Zwangsarbeiter in Bamberg schrieb, lernte dort den Berliner Künstler Gunter Demnig kennen, der 1996 die mit einer Messingplatte versehenen „Stolpersteine“ schuf, die auf den Bürgersteigen an den Orten verlegt werden, wo die deutschen Opfer des nationalsozialistischen Regimes, die überwiegend jüdischen Glaubens waren, gelebt hatten oder ermordet wurden.

Nach seiner Heimkehr fördert Herr Woehrle ab 2013 die Verlegung von "Stolpersteinen" („pavé de mémoire“ auf Französisch) im Elsass und im gesamten französischen Staatsgebiet (https://stolpersteine.fr) - eine Initiative, die das Souvenir Français unterstützt.



Einige Städte wie München und Paris widersetzen sich aus verschiedenen Gründen der Verlegung von "Stolpersteinen". In München weigert sich die jüdische Gemeinde, diese Steine zu verlegen, da sie es als erniedrigend empfindet, dass diese Gedenkzeichen auf dem Boden liegen und Passanten darauf treten oder Tiere ihre Notdurft darauf verrichten können. In München wurde von Ehrenamtlern, die sich in der Gedenkarbeit engagieren (Erinnerungswerkstatt München e. V.), mit Unterstützung der Stadtverwaltung eine Alternative entwickelt: die 12 x 12 cm großen "Erinnerungszeichen", auf denen nicht nur die biografischen Daten des Opfers eingraviert sind, sondern auch dessen Porträt, sofern vorhanden. (https://stadt.muenchen.de/infos/erinnerungszeichen.html)

Der Generaldelegierte des Souvenir Français Deutschland für Bayern war an der Zeremonie zur Anbringung des ersten „Erinnerungszeichens“ für zwei französische Opfer am 31.05.2022 in der Ohmstraße 1 an der Seite der französischen Generalkonsulin in München, Corinne Pereira, beteiligt (siehe Artikel in der Rubrik „Aktuelles“ der Internetseite des SF Deutschland).

In Rosenheim hat die Münchner Künstlerin Christiane Huber eine "Möbiusschleife" (siehe Foto links; @Stadt Rosenheim; 2022) aus vergoldetem Messing geschaffen, deren erstes Exemplar am 9. November 2022 (dem Jahrestag der "Reichskristallnacht" von 1938) im Garten einer städtischen Realschule für Mädchen aufgestellt wurde.
Weltweit wurden bislang mehr als 75.000 „Stolpersteine“ in Deutschland und 25 weiteren Ländern verlegt und bilden damit die größte dezentrale Gedenkstätte der Welt.

Neben den grundsätzlichen Vorwürfen, die von bestimmten Kreisen der deutsch-jüdischen Gemeinden gegen die "Stolpersteine" erhoben werden, gibt es einen Nachteil, der mit dem Material zusammenhängt, aus dem die auf den „Stolpersteinen“ fixierten Plaketten hergestellt sind. Messing oxidiert nämlich an der Luft, und diese Oxidation führt in Verbindung mit der normalen Verschmutzung eines Bürgersteigs dazu, dass die Plaketten schwarz werden, bis die darauf eingravierten Angaben nach einiger Zeit unleserlich werden.

Dies veranlasste die Willy-Aron-Gesellschaft, einen Verein in Bamberg, der sich der Erinnerungsarbeit verschrieben hat, nach "Putzpaten" für die in der Stadt verteilten „Stolpersteine“ zu suchen, die mehrmals im Jahr die Plaketten der „Stolpersteine“ polieren sollten.
Herr Schmidt, der Lehrer, der das Gedenkprojekt am Dietzenhofer-Gymnasium leitet, meldete sich freiwillig, um die „Stolpersteine“ zu pflegen, die zum Gedenken an die beiden französischen Opfer verlegt wurden. Er nutzte den Besuch von Herrn Wolff in Bamberg, um in dessen Anwesenheit den „Stolperstein“ zu polieren, der vor zehn Jahren in der Roppeltsgasse zum Gedenken an Bernard Delachaux verlegt wurde.

Der stellvertretende Generaldelegierte des Souvenir Français Deutschland für Bayern, Pierre M. Wolff, dankte Herrn Michael Schmidt herzlich für seine pädagogische Gedenkaktion für die beiden französischen Opfer des Nationalsozialismus in Bamberg und bat ihn, seinen Dank an die Schüler seiner Französischklasse weiterzugeben, die nicht nur einen Teil ihrer Freizeit diesem bayerisch-französischen Erinnerungskulturellen Projekt widmen, sondern sich bei dieser Gelegenheit auch in der projektbezogenen Praxis der französischen Sprache üben.

Herr Wolff sicherte Herrn Schmidt seine ideelle - und bei Bedarf auch logistische - Unterstützung bei der Umsetzung seines Projekts zu, sowie seine Anwesenheit bei der Präsentation der Ausstellung, die für Anfang 2023 im 60. Jubiläumsjahr des deutsch-französischen Elysée-Vertrags geplant ist.

Für weitere Informationen:
- Webseite des Dietzenhofer-Gymnasiums Bamberg (Fachschaft Französisch): www.dg-info.de/franzoesisch
- Website von Gunter Demnig: www.stolpersteine.eu
- Artikel "Die Gedenkstätte der Stolpersteine. Histoire, enjeux et phénomènes d'appropriation à l'ère de l'essoufflement de la commémoration", veröffentlicht von Hélène Camarade in der Zeitschrift Allemagne d'aujourd'hui 2018/3 (N° 225), Seiten 69 bis 86 (https://www.cairn.info/revue-allemagne-d-aujourd-hui-2018-3-page-69.htm).

(Bildnachweis: ©SF Deutschland; Margret Wolff, München, 2022 - mit Ausnahme der Fotos der Stolpersteine ©Stadt Bamberg und der Fotos aus der französischen Website über die "pavés de mémoire").